Dammbruch im Verfassungsrecht

Die CoVID-19-Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen und der Pflege greift tief – meines Erachtens zu tief – in die persönlichen Freiheitsrechte der Betroffen ein. Nun hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.04.2022 zu Aktenzeichen 1 BvR 2649/21 eine gefährliche Abwägung vorgenommen und dabei das Selbstbestimmungsrecht der von der Impfpflicht Betroffenen zur Verfügungsmasse des Gesetzgebers gemacht. Gut ist, das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, die Impfpflicht stellt einen Eingriff in das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit dar. Andererseits hat es die Gesundheit der nicht zur Impfung verpflichteten „vulnerablen Gruppen“ gegen die Gesundheit des medizinischen und Pflegepersonals abgewogen. Letztere haben verloren.

Die konsequente Umsetzung des Gesetzes müsste nun zu unzähligen Kündigungen und Ordnungswidrigkeitenverfahren führen. Im Ergebnis dürften die übermäßig geschützten „vulnerablen Gruppen“ am meisten leiden – weil bald noch weniger da sind, die sie pflegen oder für sie kochen, waschen, putzen oder etwas reparieren.

Besonders bedenklich daran ist, mit der selben Argumentation könnten künftig unzählige weitere Pflichten für Beschäftige im Gesundheitswesen installiert werden. Die ‚afrikanischen Affen-Pocken‘ sind gerade im Kommen und die nächste Grippewelle auch.

Es ist der Bundestag aufgerufen, die verfassungsrechtliche Fehlentwicklung zu stoppen und die Impfpflicht für CoVID-19 aus dem Infektionsschutzgesetz baldmöglichst zu streichen.

Eine Hoffnung bleibt vorerst – auf verwaltungsrechtlicher Ebene erscheint jedenfalls in Anbetracht des derzeitigen Infektionsgeschehens jeder weitere Eingriff der Gesundheitsämter aufgrund der CoVID-19-Impfpllicht unverhältnismäßig.

Tomas Dils
Rechtsanwalt
Bautzen, am 19.05.2022